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Lärmschutz ohne Sinn

Der Verkehr auf der B 170 nimmt zu. Das bekommen Bannewitzer zu spüren. Ist ein Wall vor den Häusern zu niedrig?

Von Verena Schulenburg
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Alexander Thate (l.) und Michael Richter wohnen mit ihren Familien an der B 170 in Hänichen. Dort sind sie zunehmend Verkehrslärm ausgesetzt. Eigentlich soll der Wall hinter ihnen die Häuser vor dem Straßenlärm schützen.
Alexander Thate (l.) und Michael Richter wohnen mit ihren Familien an der B 170 in Hänichen. Dort sind sie zunehmend Verkehrslärm ausgesetzt. Eigentlich soll der Wall hinter ihnen die Häuser vor dem Straßenlärm schützen. © Karl-Ludwig Oberthür

Als Michael Richter vor etwa vier Jahren mit seiner Familie nach Bannewitz zog, konnte er von seiner Terrasse aus kein einziges Fahrzeug hinter dem Erdwall erkennen. Heute ist das anders. Schon wenn die Laster von Possendorf kommend das Ortsschild in Hänichen passieren, ist der Rücken des Schleppers vom Wohngebiet am Käferberg aus zu sehen. Für den 47-Jährigen ist klar: Der Lärmschutzwall am Ende seines Gartens an der B 170 hat sich gesetzt.

Mit dieser Tatsache könnte Michael Richter durchaus leben, wäre da nicht dieser hohe Verkehrslärm, der von der Bundesstraße ins Wohngebiet dringt. „Es ist schlimmer geworden“, bestätigt sein Nachbar Alexander Thate. Wenn er früh um 7 Uhr mit seinem Auto zur Arbeit wolle, müsse er oft lange an der Ausfahrt des Wohngebietes warten. „Hier kommt man kaum raus, so viel ist los.“ Der 35-Jährige wohnt nun seit drei Jahren in erster Reihe am Käferberg. Dass das Wohnen an der Bundesstraße nicht geräuschfrei verläuft, sei ihm schon klar gewesen, als er den Hauskauf mit seiner Unterschrift besiegelte. Doch so laut wie jetzt sei es zuvor nicht gewesen, beteuert er. „Die Umstände hier haben sich geändert“, sagt Alexander Thate.

Junge Familien statt Gewerbe

Die B 170 muss tatsächlich immer mehr Verkehr stemmen. Abgesehen von Dresden ist vor allem die Belastung in Bannewitz am größten. 13 700 Fahrzeuge rollen binnen 24 Stunden hier über den Asphalt, so das Ergebnis der letzten Verkehrszählung des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) aus dem Jahr 2015. Fünf Jahre zuvor waren es noch 200 Fahrzeuge weniger pro Tag. Aufgrund des zunehmenden Verkehrs arbeitet die Behörde derzeit auch am Ausbau der B 170 vom Anschluss der A 17 bis Bannewitz hinein.

Die Anwohner in Hänichen sind von dem Lärm genervt, fühlen sich machtlos – und ein Stück weit um ihren Lärmschutz betrogen. Einen Grund dafür liefert vor allem der besagte Wall am Fuße ihrer Eigenheime. Abgesehen davon, dass sich der Erdhügel über die Jahre ein ganzes Stück gesetzt haben müsse, sei er von vornherein zu niedrig für eine Wohnbebauung angelegt, argumentiert Michael Richter. Gerade einmal vier Meter hoch sei dieser planmäßig erbaut worden, als das Wohngebiet am Käferberg entstand. Am neuen Wohngebiet an der Boderitzer Straße in Bannewitz wurde der Lärmschutz für die Eigenheime dagegen sechs Meter hoch gebaut.

Warum dies damals am Käferberg nicht geschah, wissen die Anwohner hier mittlerweile. Die Fläche unmittelbar an der B 170 war eigentlich für kleines Gewerbe vorgesehen und deshalb als Mischgebiet ausgewiesen. Anders als bei einem reinen Wohngebiet gelten hier abgespeckte Lärmschutzvorschriften. Doch aus dem Gewerbe wurde nichts. Stattdessen wurde das Areal für junge Familien freigegeben.

Kaum Hilfe von der Stadt

Hinzu kommt noch eine weitere Problematik: Die Eigenheime, die hier in erster Reihe an der B 170 errichtet wurden, stehen mit dem Sockel nicht etwa auf gleicher Höhe des Wallfußes, sondern ein ganzes Stück erhöht, wie auf einem Podest. Der Lärm von der Bundesstraße fliegt damit nicht etwa über den Erdwall und die dahinter stehenden Häuser hinweg, sondern prallt quasi auf die Gebäude.

Dass die Anwohner einer hohen Lärmbelastung ausgesetzt sind, zeigte auch die Lärmberechnung in der Gemeinde. Mitunter mehr als 70 Dezibel haben die Berechnungen hier ergeben. Der Gesetzgeber besagt, dass ab einer Lärmbelastung von 65 Dezibel am Tag die Gefahr für gesundheitliche Schäden steigt. Um erneut auf ihre Situation aufmerksam zu machen, haben sich die betreffenden Anwohner an die Gemeinde gewandt. Doch viel Hilfe haben sie von dort bisher nicht erfahren.

Da es sich bei der Bundesstraße um keine kommunale Straße handelt und hierfür das Lasuv in Sachen Lärmschutz zuständig wäre, seien der Gemeinde die Hände gebunden, so das Rathaus. Im Lasuv sieht man das jedoch anders: Da das Wohngebiet an der B 170 neu hinzugekommen sei, obliege die Planung dessen samt Lärmschutzmaßnahmen der Gemeinde, dem Bauherren und dem Landkreis als Genehmigungsbehörde, teilt Lasuv-Sprecherin Isabel Siebert mit. Das Landesamt werde erst dann im Lärmschutz aktiv, wenn in den Straßenraum eingegriffen werde, wie beispielsweise beim Ausbau der B 170.

Gekommen, um zu bleiben

Auch dahingehend, was die Höhe des Lärmschutzwalles und die Ausrichtung der Wohnhäuser dahinter betrifft, bleiben die Anwohner in Hänichen allein gelassen. Mit dem Problem Lärmschutz habe man sich im Rathaus bereits während der Planungen zum Wohngebiet am Käferberg 2009/2010 auseinandergesetzt. „Die Vorgaben des Bebauungsplanes hinsichtlich der Bemessung des Lärmschutzwalles wurden eingehalten“, heißt es aus dem Bannewitzer Rathaus, allerdings eben für ein Mischgebiet. Die besagte Fläche nachträglich zum Wohngebiet umwidmen zu lassen, ist nicht geplant. „Das wäre auch kostspielig“, ahnt Michael Richter. Womöglich müsste dann der Lärmschutzwall erhöht werden.

Noch haben die Anwohner am Käferberg nicht die Hoffnung begraben, dass ihnen doch noch geholfen wird, von wem auch immer. „Wir sind nicht hierher gezogen, um bald wieder wegzuziehen“, sagt Richter. Ihre Kinder besuchen hier Kita und Schule, bringen sich sogar ins Vereinsleben ein. Auf Hilfe warten, wollen sie aber nicht. Richter hat bereits selbst Hand an den Wall vor seinem Haus gelegt und darauf Sträucher gepflanzt. „Sie müssen noch wachsen“, sagt er. Aber vielleicht nütze es dann wenigstens etwas.